Die Mitte ist tot. Die Marktpyramide besteht in Zukunft nur mehr aus Economy- und Premium-Segment, meint Elektropraxis-Autor Richard Gappmayer. Im ersteren haben Unternehmermarken ausgedient, in letzterem geht es um Identitätsmanagement – und gute Geschäfte.

Wer eine betriebswirtschaftliche Ausbildung absolviert hat, erinnert sich vielleicht noch an die typische Marktpyramide. Diese besteht aus einem kleinen Economy-Bereich – das waren die Hofer-Filialen dieser Welt –, einem noch viel kleineren gehobenen Segment – das waren die Porsches dieser Welt – und einem riesigen Standardbereich. Letzterer repräsentierte das mitteleuropäische Wirtschaftswunder. Damals! Denn heute existiert in den meisten Branchen diese ehemalige Marktpyramide schon sehr lange nicht mehr. Wir haben in den vergangenen Jahren eine starke Reduktion der „Mitte“ erlebt. Der Standardbereich verschwindet mehr und mehr. Unsere Marktstrukturen verändern sich hin zu einer Doppelpyramide.
In der Marktpyramide der Zukunft gibt es nur noch zwei ernstzunehmende Segmente: Economy und Premium. Die wesentliche Frage für die Unternehmen der Zukunft lautet daher, nach welchen Logiken diese beiden Segmente funktionieren. Hier zeigt sich die wahre strategische Dimension des Verkaufens der Zukunft. Denn während sich die verschiedenen Segmente in der Marktpyramide der Vergangenheit noch durch Attribute wie Preis und Qualität unterschieden haben, verläuft die Trennlinie in der Marktpyramide der Zukunft an einer völlig anderen Stelle.

WENN DAS HANDY ÜBERNIMMT
Das Economy-Segment wird in Zukunft durch intelligente, elektronische Assistenten bestimmt. Hier fragen die Kunden zum Beispiel ihr Handy nach einer Kaufempfehlung. Das Smartphone berechnet diese Empfehlung auf Basis eines Algorithmus, der alle mathematisch auswertbaren Kriterien einbezieht.
Es fließen sowohl Qualität wie auch Preise mit ein, vor allem aber wird das gespeicherte individuelle Bedürfnis- und Wunschverhalten des Kunden auf die jeweils aktuelle Situation adaptiert. Das kann ein menschlicher Verkäufer oder Dienstleister in der Regel nicht leisten. Der Ratschlag des Handys wird deshalb meistens besser sein. Aus diesem Grund spielt die Unternehmermarke im Economy-Bereich eine zunehmend untergeordnete Rolle. Der Kunde vertraut nicht mehr Marken, sondern seinem weitsichtigen elektronischen Assistenten.

WENN DIE IDENTITÄT ZÄHLT
Das Premium-Segment hingegen wird nicht durch Preis und Qualität bestimmt, sondern dadurch, dass der Kunde bewusst seinen elektronischen Assistenten deaktiviert und in diesem Fall nicht benutzt. Weshalb er das tut? Weil Produkte und Dienstleistungen im Premiumbereich etwas leisten, das kein elektronischer Assistent bewerten kann und auch nicht so schnell können wird: das Identitätsmanagement!
Vereinfacht gesagt: Der Kunde geht ins Premiumsegment, wenn er mit dem Produkt oder dem Dienstleistungs- und Verkaufsprozess seine eigene Identität managen kann. Hier kauft er Produkte oder Dienstleistungen nicht wegen deren Eigenschaften, sondern wegen einer zugrundeliegenden spezifischen Aussage.
Mit dem Produkt kann der Kunde seinen Kollegen, Freunden und seiner Familie zeigen, dass er „besonders“ ist, wie zum Beispiel: besonders öko, besonders reich, besonders sparsam, besonders design- und luxusorientiert, besonders sportlich etc.

Diese Eigenschaften des Identitätsmanagements bieten nur sehr wenige Produkte und Unternehmen. Es handelt sich dabei ganz klar um Nischenmärkte mit einer eindeutigen Premiumlogik.
Unternehmen, die es schaffen, ihr Produkt oder ihre Dienstleistung als Identitätsmanager ihrer Kunden zu positionieren, kommen an der Logik der Algorithmen geschmeidig vorbei. Alle anderen müssen sich wohl oder übel auf die neue Logik des digitalen Verkaufs einlassen. Wesentlich ist hierbei zu verstehen, dass die bisherige Trennung der Marktsegmente nach Preis und Qualität abgelöst wird durch die Logik der Nutzung von intelligenten Assistenz-Systemen.

Foto Pyramide (c) Elektropraxis

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